Die Botschaft ist eine sehr schöne. Nimm dir einfach ein kleines Boot und segele los und genieße es. Man muss weder weit weg noch mit einem großen Schiff segeln, um sie zu erleben, die wunderbare Zufriedenheit, die man beim Segeln entdecken kann. Oder was auch immer man für sich erlebt. Wie viel das sein kann, erfahren wir in anderen Büchern. Bei Richard Bode, etwa – in seinem wundervollen Büchlein „First you have to row a little boat“. Im englischen Original ist es noch lieferbar, die deutsche Übersetzung („Nimm zuerst ein kleines Boot“, Ariston Verlag, 1997) ist leider vergriffen und, das ist noch tragischer, nicht neu aufgelegt worden.
Zurück zu „Digger“. Was bedeutet das? Wäre es englisch, hieße es vielleicht „Gräber“, wie „grabender“, nicht die Mehrzahl von Grab. Macht das Sinn?
Macht dieses Buch Sinn? Was Stephan Boden, alias „Der Gräber“, hier beschreibt, ist sehr sympathisch: Einfach mal ein paar Monate lang, einen Segelsommer, in einem kleinen Boot auf der Ostsee segeln, ohne Zwang und Stress und selbst auferlegte Erwartungen. Davon haben wir, meine Kumpels und ich, schon als Kinder, als Jugendliche geträumt.
Muss man darüber ein Buch schreiben? Das macht man meistens, wenn man etwas zu sagen hat. Etwas, das über bekannte Ein-Satz-Weisheiten hinausgeht. Aber dies sind moderne Zeiten und vielleicht schreibt man dann auch schon mal ein Buch, bloß weil man, wie Boden wiederum schreibt, einen Blog verfasst, den viele Menschen verfolgen: „Der Blog war für Freunde und Bekannte gedacht. Und heute? Mehrere Tausend Besucher pro Tag. Und es werden immer mehr.“ Von solchen Leserscharen träumt so mancher Autor – also kann man ja auch mal ein Buch daraus machen.
Dünnes Eis. Noch dazu hier und da etwas dick aufgetragen. Gleich vorne irgendwo schreibt Stephan Boden, nachdem er sich als einer Art Klischee vom verlotterten Seemann beschrieben hat: „Zwei Monate war ich bis jetzt auf See.“ Wie bitte? Das ist absurd. Das kann man nicht sagen wenn man in diesen zwei Monaten von der Schlei bis in die Südsee, die Dänische wohlgemerkt, gekommen ist. In Landsicht. Ein paar Stunden am Tag „auf See“, jede Nacht im Hafen und viele Tage dazu. Ja, Digger, Alter, ist ja okay. Kann man ja machen. Aber dann schreibt man nicht solch einen Satz.
Etwas überdreht vielleicht auch die Emotionen, die er kurz vor der Abreise zu seinem verlängerten Urlaubstörn beschreibt. Mein Gott, will man da sagen, chill mal, Alter. Du behältst Deine Wohnung, Du schipperst 100 Kilometer weiter in gemütlichen Tagestouren über die Ostsee, wenn wirklich was ist kannst Du jeden Tag mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren und es richten. Hier muss niemand autark sein, sein Leben auch nur ansatzweise ändern, denn dahin geht es ja nach einigen Wochen wieder zurück – auch wenn die Abreise angeblich so weh tut. Immerhin, er erfindet gleich das passende Wort dazu: Melankomisch. Hut ab! Gute Wortschöpfung, inhaltlich auch treffend.
Ja, das Buch hat seine humorvollen und sympathischen Momente, die aber leider zu selten. Im Grunde bleibt es total belanglos, es ist schnell durchgeblättert und hier und da auch gelesen und am Ende empfindet der Leser – nichts.
Habe dann noch mal den Begriff „Digger“ im Internet nachgeschlagen. Die Seite „www.studipedia.org“ sagt dazu: „Die Kunst beim „Diggern“ besteht nicht darin, einen richtigen grammatikalischen Satz zu bilden, sondern vielmehr sich kurz und präzise auszudrücken. Bekanntester Satz ist z.B. „Was geht’n Digga?“, was soviel bedeutet wie „Hallo, schön Dich zu sehen. Wie geht es Dir, mein Freund? Wann bist du denn aus der Jugendstrafanstalt entlassen worden?“
Sorry, ohne das Buch gelesen zu haben und ohne Digger-Fan zu sein: oberflächliche Rezension mit wenig Tiefgang. In ziemlich genau der Art und Weise geschrieben, die beim gegenständlichen Buch mehr oder weniger deutlich kritisiert wird. Allein der Versuch offenbar geschilderte Emotionen sachlich auseinandernehmen zu wollen ist kläglich. Jetzt werd ich’s mir erst recht kaufen (und lesen).