Mit Etmalen deutlich über 300 Seemeilen rund Kap Hoorn. Das schaffen nicht nur heutige durchtrainierte Regattacrews auf hypermodernen Rennmaschinen. Kapitän Robert Hilgendorf prügelte so schon im Mai 1900 die Fünfmastbark „Potosi“ um die Islas Diego Ramirez und notierte ins Logbuch: „Die größte Distanz (376 sm), die ´Potosi´ bis jetzt gemacht hat; hätten wir nur besser steuern können, dann wären es noch etwas mehr gewesen.“
Seine schnellen Reisen in der Salpeterfahrt an die Westküste Südamerikas machten Hilgendorf zum berühmtesten aller Segelschiffskapitäne der Hamburger Reederei F. Laeisz. Er befehligte mehrere der schnellsten Kap-Hoorn-Umrundungen und wurde dafür von anderen Seeleuten anerkennend „Düwel von Hamburg“ genannt. Heino Brockhage zeichnet auf 96 Seiten den Lebensweg des „Teufels“ Hilgendorf nach. Herausgeber seines Buchs ist die Schiffahrtsgeschichtliche Gesellschaft Bremerhaven.
Am 31. Juli 1852 wird Robert Hilgendorf im kleinen Fischerdorf Schiebenhorst am Stettiner Haff geboren. Sein Vater, ein Torfschiffer, sieht die Zukunft des Jungen schon früh auf See. Als Zwölfjähriger fährt dieser mit dem Vater, übernimmt bald selbst Wachen und heuert mit 15 auf dem Schoner „Louise Martha“ an, der Fracht auf der Ostsee transportiert.
Der talentierte Robert Hilgendorf arbeitet sich schnell hoch. Zum Vollmatrosen wird er als 17-Jähriger und umsegelt als solcher mit 19 erstmals Kap Hoorn. Da hat er sich bereits – trotz des Aufschwungs der Dampfschiffe – dafür entschieden, seine Karriere auf Segelschiffen fortzuführen. Tatsächlich wird er nur auf einem einzigen Dampfer fahren. Drei Jahre dient er der Kaiserlichen Marine und schließt danach 1877 die Steuermannsschule als Steuermann auf großer Fahrt ab. Eines seiner Erfolgsrezepte verrät er Jahre später: „Wenn du dir etwas vorgenommen hast, ja, und du willst das von ganzem Herzen, dann behalt das für dich, die Leute reden dir sonst alles kaputt!“
Hilgendorf lässt sich nichts kaputtreden. 1879 stellt er sich – wenige Tage nachdem er sein Patent als Schiffer auf großer Fahrt erhalten hat – bei der aufstrebenden Hamburger Segelschiff-Reederei F. Laeisz vor. Mit den Worten „Good, Stüermann, wi wült dat mol tohoop versäuken!“ wird der 27-jährige Hilgendorf als Obersteuermann auf der „Parnass“ angestellt. Diese hölzerne Bark ist auch das Schiff, auf dem er drei Jahre später erstmals als Kapitän das Kommando übernimmt. Vorher heiratet er 1880 noch Helene Johanne Ernestine Müller, mit der er acht gemeinsame Kinder haben wird.
Robert Hilgendorf befehligt nach der „Parnass“ die Bark „Parsifal“, die bei seiner dritten Reise am Kap Hoorn sinkt. Das Seeamt spricht den Kapitän von aller Schuld frei. Also übernimmt er die Bark „Professor“, segelt weiter nach dem Laeisz-Leitsprung „fix oder nix“ und macht ein um die andere schnelle Reise zwischen Hamburg und Südamerika. Auf der „Pirat“, der nächsten, wieder größeren Bark unter seinem Kommando, werden die hölzernen Stengen in Stücke gesegelt. Um möglichst schnell zu sein, wurden bei Starkwind zu viele Segel geführt.
Deshalb wird 1889 das Vollschiff „Palmyra“ bei Blohm & Voss in Hamburg in der fortan standardmäßigen starken Laeisz-Bauweise fertiggestellt: ausschließlich mit Stahlmasten aus einem Stück, vom Kiel bis hinauf zur höchsten Rah. Im Lauf von 22 Jahren führt Hilgendorf neun Laeisz-Segler, darunter die legendären „Flying P-Liner“ „Placilla“, „Pitlochry“ und zuletzt die Fünfmastbark „Potosi“, das seinerzeit mit 132 Metern Gesamtlänge größte Segelschiff der Welt.
59 Umrundungen des berüchtigten Kap Hoorns kann Heino Brockhage zweifelsfrei belegen, maximal 68 hält der Autor nach seinen Recherchen für möglich. Seinen Besatzungen verlangt Kapitän Robert Hilgendorf stets alles ab. Er ist ein harter Kapitän. Hart, aber gerecht. In seiner langen Kapitänslaufbahn desertiert kein einziger seiner Männer.
Heino Brockhage gelingt es, seine wissenschaftlich akribische Recherche in einem spannenden, kurzweiligen Text zu präsentieren. So entsteht ein absolut lesenswerter Blick auf das Leben des Kapitäns Robert Hilgendorf, das geprägt war von außerordentlichen Leistungen unter Segeln.
1901 verlässt Hilgendorf, knapp 50-jährig die Reederei F. Laeisz, der er freundschaftlich verbunden bleibt. An Land arbeitet er bis ins hohe Alter von 75 Jahren als Besichtiger und Sachverständiger für Havarien und Ladungsschäden. Am 4. Februar 1937 stirbt der seglerische Draufgänger Hilgendorf, der übrigens unterm Pantoffel seiner Frau gestanden haben soll. Einst in einer Kneipe des Hamburger Hafens damit geneckt, erwiderte er trocken: „Auch zu Hause bin ich der Kapitän, und meine Frau hat mir erlaubt, dass ich das hier in der Runde so sagen darf!“
Das Buch kann direkt beim Verlag oder im Buchhandel bestellt werden: Oceanum Verlag, 19,90 Euro.