Tim Kröger, Autor des gerade erschienenen Buches »Ich bin wir« über das Teambuilding beim Segeln, im Gespräch mit Detlef Jens
Kröger selbst sagt über sein Buch: »Ich will mit meinem Buch nicht belehren und beschlauen, sondern inspirieren! Ich sage nicht, wie alles besser geht, sondern erzähle von meinem Weg. Und vielen spannenden Erfahrungen mit anderen Menschen in unterschiedlichen Segelsport-Umfeldern. Daraus kann sich jeder ziehen, was ihn bereichert. Ich würde dieses Buch als erfolgreich bezeichnen, wenn es seine Leser beflügeln kann.«
Der Hamburger Tim Kröger, 48, hat als einziger deutscher Segelprofi an den drei bekanntesten Regatta-Gipfelstürmen der letzten 100 Jahre teilgenommen: Admiral’s Cup, America’s Cup und Round the World Race. Inklusive einer Olympiakampagne, an deren Ende er die Qualifikation für die Olympischen Spiele so knapp wie schmerzlich verpasste und aus der er trotzdem wertvolle Erfahrung schöpfte, zählt der Vater von Zwillingen zu den vielseitigsten und bekanntesten Seglern Deutschlands. Tim Kröger hat die Herausforderungen der flüssigen Himalayas unseres Planeten auf mehr als 200.000 Seemeilen angenommen und bestanden. Längst ist der Weltmeister, Admiral’s Cup-Sieger und Deutsche Meister neben seinen Einsätzen auf allen Weltmeeren auch als Redner für große deutsche und internationale Unternehmen gefragt. Im Zentrum seiner Vorträge steht die authentische Motivation und Inspiration von Führungskräften und Mitarbeitern durch seine Erfahrungen auf See. Tim Kröger ist als Coach, kreativer Kopf und Skipper hochkarätiger Regatta- und Incentive-Projekte im Einsatz.
Warum hast Du dieses Buch geschrieben?
Es kamen zwei Erkenntnisse zusammen: Zum einen werde ich inzwischen sehr häufig zu verschiedensten Anlässen als Redner von Unternehmen gebucht. Im Zentrum meiner Vorträge stehen in der Regel der Teamgedanke des Segelsports und seine Talente als Inspirationsquelle. Ich werde nach solchen Vorträgen oft gefragt, ob ich dazu nicht auch ein Buch hätte. Hatte ich aber bislang nicht. Auslöser für die Buchentstehung war dann die Idee des Delius Klasing Verlages, der ebenfalls den Bedarf eines solchen Buches erkannt hatte und auf mich zukam. Da trafen Wunschgedanke und Auftrag zusammen.
Ist das Schreiben für Dich anstrengend gewesen, hat Deine Frau Tati – immerhin eine bekannte Journalistin und Autorin – mitgeholfen?
Natürlich hat mir meine Frau mit ihrer Erfahrung sehr geholfen. Sie hat immerhin schon einige Bücher veröffentlicht. Was kann sich ein Buchautor bei der Entstehung seines Werkes besseres wünschen als eine erstklassige Journalistin als Diskussionspartnerin und Kritikerin? Für mich war es das zweite Buch und daher keine ganz neue Erfahrung mehr. Ich habe vieles selbst geschrieben. Ich bin ein anderer Typ als meine Frau und Authentizität war für mich beim Schreiben ein sehr wichtiger Aspekt. Ich verkaufe nichts, an das ich nicht selbst glaube. Nichts, das ich nicht selbst erlebt habe und mit voller Überzeugung lebe. Insofern hat das Schreiben Spaß gemacht, auch wenn es sehr viel Arbeit war. Und dank meiner Frau stimmt die Kommasetzung auch – da bin ich eher schwach…
Gab es Schlüsselerlebnisse an Bord, zum Thema Crew und Team?
Diese Antwort würde ich am liebsten auslassen. Sonst verrate ich ja schon alles… Sagen wir so: Zu den wenigen, aber durchaus vorhandenen negativen Erfahrungen – ich nenne sie Schrammen auf der Seele – zählen die menschlichen Abgründe, die sich auftun, wenn man in einer Mannschaft von der Führungsperson ausgebootet wird, ohne je gesagt zu bekommen, was man falsch gemacht hat. Das ist mir einmal passiert. Oder wenn man von jemandem, mit dem denkt in einem Boot zu sitzen, über Monate hintergangen wird – da fehlt völlig der Teamgedanke und der Wille zu aufrichtiger Kommunikation. Da spielt auch Feigheit eine Rolle, die ich befremdlich finde. Auch solche Schlüsselerlebnisse haben mich bewogen, meine Erfahrungen weiterzugeben und zu versuchen zu erklären, was wirklich wichtig ist in einem Team!
Welches war die beste Crew, in der Du gesegelt bist, und warum?
Eine schwere Frage. Ich habe mit sehr vielen guten Mannschaften gesegelt und würde nicht eine hervorheben wollen. Alternativ zwei prägende Erfahrungen: Ich habe es extrem genossen, nach meiner ersten Weltumseglung einige Jahre mit den Franzosen zu segeln. Ihre moderne Art des Segelns wurde zu der Zeit in Deutschland überhaupt noch nicht gelebt. Bei den Franzosen war jedes Crewmitglied wertig und die Expertise eines jeden wurde auch eingefordert. Bei uns in Deutschland hatte damals noch der „gottähnliche“ Skipper auf vielen Booten das Sagen – da habe ich auch einige beratungsresistente Ikonen des deutschen Segelsports kennen gelernt. Andererseits ist das Aktuelle immer noch frisch im Bewusstsein: Die Crew, mit der ich am Nord Stream Race 2012 teilgenommen habe, war phantastisch – denn die konnte ich nach meinen Optimalvorstellungen zusammenstellen – so, wie ich es in meinen Vorträgen immer predige.
Würdest Du auch alleine segeln, es muss ja nicht gleich das Vendée Globe sein?
Solosegeln ist nicht mein Ding. Ich teile meine Arbeit, meine Einsatzfreude und meine Erlebnisse in guten wie in schlechten Zeiten lieber mit anderen. Das bereichert und motiviert mich. Für mich ist Segeln eben in erster Linie ein Teamsport, der auf einem Boot mit einer Crew nicht nur beschworen, sondern auch umgesetzt wird.
Was würdest Du gerne noch mal segeln?
Das Volvo Ocean Race mit einer schlagkräftigen Best-Ager-Crew aus erfahrenen Weltumseglern mit großem Leistungshunger.
Größter Erfolg beim Segeln, größter Misserfolg?
Ich fange mit der größten Enttäuschung an: Die verpasste Olympiaqualifikation 1988 tat wahnsinnig weh und ärgert mich bis heute, wenn ich hin und wieder darüber nachdenke. Zu meinen größten Erfolgen zähle ich den zweiten Platz bei meiner Whitbread-Premiere 1993/1994, die beiden America’s Cup-Teilnahmen mit kleinen, aber menschlich und sportlich ungeheuer bereichernden Teams und last but not least die Tatsache, dass ich gegen die vorherrschende deutsche Denke seit zwei Jahrzehnten mein Geld auf verschiedenen Ebenen als Profi verdiene und damit glücklich bin.
Wo segelst Du am liebsten?
Ich liebe das Südpolarmeer und die schwedischen Schären. Das eine wegen seiner gewaltigen Schönheit und den imposanten Surfs, die man dort als Segler erlebt. Wegen der Albatrosse und der unendlich wirkenden Weite des Meeres. Nirgendwo sonst sind Crews so sehr auf sich gestellt. Das Phänomen fasziniert mich. An den schwedischen Revieren schätze ich die ursprüngliche Schönheit. Sie eignen sich sowohl zum Regatta- als auch zum Familiensegeln mit sehr attraktiven Ausflugszielen an Land. Meine Lieblingsecken liegen an der West- und Ostküste. Zum einen die Bucht von Fjällbacka und zum anderen der Schärengarten vor Stockholm bis nach Sandhamn.
Was hast Du beruflich noch vor?
Ich bin jetzt an dem Punkt, wo man intensiver seine Erfahrungen weitergeben kann, sofern das gewünscht wird. Dem Jugend Big Boat Projekt One4All des Sailing Team Germany stehe ich beispielsweise in einer Mentorenfunktion zur Seite.
Weiterhin werde ich auch in Zukunft meine eigenen Regattaprojekte umzusetzen, sei es mit einer TP52 die wir auf der Ostsee segeln oder mit der Swan 60 die wir im Nord Stream Race gesegelt haben. Die Projektplanung für dieses Jahr läuft gerade auf Hochtouren.
Ich möchte meine Führungsqualitäten als Skipper immer wieder auf den Prüfstand stellen und in meinen Vorträgen echte Authentizität transportieren.
Segeln bestimmt mein Leben – schauen wir mal was da noch kommt…
1 comment for “Menschliche Abgründe – oder Teamwork…”