Auf Literaturboot.de werden Bücher vorgestellt. Vor allem aber werden sie gelesen, rezensiert und empfohlen – oder auch nicht, je nachdem. Nur in seltenen Ausnahmefällen veröffentlichen wir die Pressemitteilungen der Verlage, sagen das in dem Fall dann aber auch sehr deutlich. Was aber auf gar nicht geht, no-no, niemals: Klappentexte der Bücher wiedergeben.
Warum ist das so? Das hat, sehr amüsant, unsere Leserin Susanne C. Müller geschrieben. Nicht in der Absicht, unsere Absicht zu erklären, sondern einfach so, als Glosse sozusagen über Klappentexte an sich und über einen im ganz Besonderen. Ich gebe also das Wort weiter:
„Welchen Beruf übt aus, wer Klappentexte für Bücher schreibt? Autor wird er oder sie nicht sein. Lektor? Eher nicht, dann gäbe man nach Tagen des Lesens mit brennenden Augen eine Einschätzung ab: Daumen hoch (wird verlegt) oder Daumen runter (hungriger Autor sucht verzweifelt neuen Verlag). Praktikant? Auch eher nicht, dann gäbe man sich mehr Mühe, denn es ginge um den ersten bezahlten Job im Leben – es sein denn, der war das Austragen von Zeitungen von 4:00 bis 5:00 Uhr für 0,03 Euro pro Exemplar. Vertriebsmitarbeiter im Verlag? Auf keinen Fall, dann könnte man verkaufen und fände die richtigen Worte von selbst, per Eingebung sozusagen, immer die Tantiemen am Jahresende glitzernd vor Augen.
Ich weiß nicht, wer Klappentexte schreibt. Ich weiß aber zweierlei: 1) Zusammenfassungen zu schreiben war Bestandteil des Curriculums des Faches Deutsch in der siebten Klasse. 2) Klappentexte –das sind Zusammenfassungen des Inhalts eines ganzen Buches!- sind schlecht. Grottenschlecht. Demnach müssten Schüler/innen eines jeden siebten Jahrganges wegen ihrer Deutschnote scharenweise sitzengeblieben sein. Und zwar zu recht. Ob Klappentexte für den neuesten Frauenroman auf pinkfarbenes öko-veganes Leinenpapier gedruckt, ob lockend vom tiefschwarzen Einband eines intensive Lesestunden verheißenden Krimis herunterleuchtend oder ob die Paperback-Ausgabe einer Ehrfurcht heischenden Klassiker-Ausgabe zierend: sie treffen in der Regel nicht des Pudels Kern.
Ich bleibe beim Beispiel des Klassikers: seit meinem Literaturstudium, das ich nie für einen ernsthaften Beruf nutzte, mit einem schlechten Gewissen gegenüber der Weltliteratur behaftet, erstand ich kürzlich auf einem sonnigen Flohmarkt die Taschenbuchausgabe von „Moby Dick“. € 1,50 investierte ich in meine späte (Weiter)Bildung – nicht zuletzt überzeugt von der packenden Formulierung im Klappentext „ die mitreißende Geschichte von einem aus der Gemeinschaft Verstoßenen, seiner Abenteuerlust und seiner Suche nach Unabhängigkeit“. Nach dem Lesen des Romans –was ein weiteres Umherspinnen zum Thema „Aufnahme von Büchern in den hehren Kanon der Klassiker der Weltliteratur“ veranlasst hat, später gerne auch dazu etwas – vermute ich stark: mit dieser Person ist Ismael, der Ich-Erzähler des Romans gemeint. Meine Gedanken zum Satz aus dem Klappentext: mitreißend ist dieses Buch nun gar nicht. Interessant: ja. Kurios in seiner Manie, moralisch belehren zu wollen: ja. Aber nicht mitreißend. Wirklich nicht. Und dann weiter: A) aus der Gemeinschaft kann nur verstoßen werden, wer dazu gehört oder unbedingt dazugehören möchte. Ismael selbst gibt zu Beginn des Romans kund, dass er selbst (er selbst) dann und wann das Bedürfnis hat, die Gesellschaft zu fliehen. Das zeugt von großer Selbständigkeit im Denken und Tun und ist so ziemlich das Gegenteil von Verstoßen-Sein. B) Abenteuerlust. Gut, das lasse ich gelten. Er hätte auch entspannt auf einem Handelsfahrer anheuern können, zieht aber das definitiv unwägbarere Schicksal auf einem Walfänger vor, zumal ohne Erfahrung in diesem Geschäft. C) Suche nach Unabhängigkeit. Hmmm. Sich aus Bindungen an Land, sei es Beruf, seien es Freunde oder Verwandte oder Liebschaften zu lösen, zeugt sicher von Unabhängigkeit – siehe A). Nur: die hätte er dann, fühlte und lebte sie schon. Warum also danach suchen? Und suchte er tatsächlich danach: warum sich dann in eine der größten Knechtschaften der Welt –nicht nur der Weltliteratur – begeben? Er fährt nicht als Kapitän zur See – er fährt als Besatzungsmitglied! In einer eindeutigen und rigide umgesetzten Hierarchie an Bord hat er zu tun, was „der Alte“ sagt. Punkt. Scheint in dem Bild der Suche nach der Unabhängigkeit auf dem weiten Meer nicht vielmehr ein Abglanz der Träume des Klappentextschreibers auf? Dazu fällt mir ein Schlagertext ein: „Träumend an der Schreibmaschin’, saß die kleine Josefin, …“ Womit am Ende drei Fragen offenbleiben: Warum gelingt es so selten, mit ein paar wenigen Worten den Kern einer Erzählung zu treffen? Was ist ein Klappentextschreiber von Beruf? … Wer kann mir sehnlich erwünschte Antworten geben??“
Diese Antworten können wir auch nicht geben, aber dennoch einen nützlichen Hinweis. Falls Sie nicht zufällig im Flohmarkt auf das Buch stoßen, können Sie es ganz einfach in unserem Online-Buchladen kaufen: Dies ist der direkte Link.