Wer bereits während der Lektüre von „Wir Ertrunkenen“ zum Jensen-Fans geworden ist, wird „Rasmussens letzte Reise“ erst recht verschlingen: einen vielschichtiger und wieder überzeugender Roman über Hoffnung, Sehnsüchte, Lebenslügen, Ängste, Scheitern und Verlust.
In leichter Anknüpfung an seinen ersten großen Roman werden die Lebensgeschichten einzelner dem Leser bereits bekannter Figuren weitergeführt, wobei die alte Seefahrerstadt Marstal auf der dänischen Insel Ærø als Heimat und Ausgangsort dient.
Den junge Kunststudent Carl Rasmussen zieht es nach Grönland. Als erster dänischer Maler will er sich Mitte des 19. Jahrhunderts in die Eiswüste wagen und das Leben der Inuit in seinen Bildern festhalten. Er fasst dabei einen Entschluss, er will dabei nur „Schönes“ malen und mit seinen Bildern die Menschen über alle Grenzen hinweg zusammenführen. Hässlichkeit und Verkommenheit werden ausgespart. Nach seiner Rückkehr lässt Rasmussen sich wieder in seiner Heimatstadt Marstal nieder und wird ein bekannter und anerkannter Marinemaler. Nur glücklich wird er nicht. Je anerkannter seine Kunst wird, desto größer wird seiner Verunsicherung. Hat er sich an die Idylle verkauft? Ist er nichts mehr als ein einfacher Freiluftmaler? 1893 macht er sich als alter Mann schließlich wieder auf den Weg nach Grönland. Noch einmal will er die Kraft der Eiswüste spüren. Doch sein Erwachen in der kalten Einsamkeit wird zur harten Selbsterkenntnis.
Carsten Jensen ist mit seinem Buch wieder ein phantastischer, einfühlsamer und kompakter Roman gelungen, der ihn zu einem der großen Geschichtenerzähler macht.
Alle jene, die schon durch die dänische Südsee gesegelt sind, in Marstal festgemacht und vielleicht die Schiffsmodelle und Bilder in der Kirche bewundert haben, wird die Geschichte auch gleich noch wegen ihrer Entstehung fesseln. Auf Spurensuche für seinen ersten Roman stieß Jensen, selbst in Marstal aufgewachsen, immer wieder auf den Namen Carl Rasmussen, einen zu Lebzeiten sehr bekannter Maler, dessen Ruhm nach seinem Tod jedoch schnell verblasste. Carsten Jensen hat nach ihm und seiner Lebensgeschichte gesucht und mit Hilfe einzelner Figuren aus „Wir Ertrunkenen“ eine eindrucksvolle und beeindruckende Geschichte geschaffen.