Dies ist ein Lehrbuch für alle, die keine Lehrbücher mögen. Und die statt des verstaubten Wissens aus vielen solchen Büchern lieber praktisch und pragmatisch an die Sache heran gehen. Genau darum geht es in diesem kurzweiligen Buch.
Geschrieben wurde es von Tom Cunliffe. Einem Segler und Autor, Vortragsredner und Yachtskipper-Prüfer, Sachverständigem und vielem mehr, der genau so zum Segeln kam: Learning by doing. Seine ersten Segelerfahrungen machte er als 14-jähriger und Tom beschreibt das kurz und knapp so: „Mein Vater setzte mich und meinen Freund in eine Segeljolle und gab dem Boot einen ordentlichen Schubs. In solch einer Situation lernt man entweder schnell oder bekommt Probleme.“ Tom, so scheint es, hat schnell gelernt. Vor allem wohl auch dies, dass nämlich die unkonventionellen Methoden nicht immer die schlechtesten sind.
Seither dreht sich sein Leben um die Seefahrt und das Segeln. Er war Erster Offizier auf einem Küstenfrachter, hat große Yachten für echte Gentlemen gesegelt, hat Charteryachten geskippert und alle möglichen Boote überführt, viele internationale Regatten gesegelt. Seit 35 Jahren bildet er Segellehrer aus, mit Unterbrechungen. 40 Jahre lang liebte er klassische Boote, gaffelgetakelte Kutter, die sich aus den segelnden Arbeitsbooten entwickelt hatten. Mit seiner Frau Ros segelte er solche Schiffe jahrelang kreuz und quer über den Atlantik, von Südamerika bis Island und von der Karibik bis nach Russland. Heute haben die beiden einen hochgetakelten Klassiker, mit dem sie drei Monate im Jahr auf Tour gehen.
Engländer (auch Franzosen übrigens) haben eine viel längere, viel größere Tradition in der Seefahrt, dadurch naturgemäß auch in der Seefahrt unter Segel und auch im Yachtsegeln, als wir. Vielleicht können sie deswegen auch leichter über vieles aus dieser Tradition hinweg sehen und in der Praxis anders machen – wobei die Tradition natürlich gerade in England auch sehr gepflegt wird. Denken wir zum Beispiel an den „Royal Yacht Squadron“ in Cowes, einem Verein, der englischer kaum sein könnte. Aber das ist eher eine liebenswürdige, wie wir empfinden „typisch Englische“ Spleenigkeit. Beim täglichen Segeln kommt eher der ebenfalls typisch Englische, wenn auch hierzulande weniger bekannte „Common Sense“, der gesunde Menschenverstand, zum Einsatz. So, wie es in diesem Buch vermittelt wird.
Lange Texte spart sich das Buch. Im Plauderton erzählt Tom von verschiedenen Situationen und Menschen, von denen er lernt. Dazu gibt es viele Fotos mit ausführlichen Bildlegenden. So werden die unterschiedlichsten und bekannten Situationen aus dem Alltag eines Fahrtenseglers betrachtet und geschildert. Man kann immer wieder in das Buch hinein blättern mal hier und mal da hängen bleiben oder auch ganz gezielt nach bestimmten Dingen suchen. Anlegen, Festmachen, Gezeiten, erste Hilfe für den Borddiesel, was auch immer. Hier findet jeder noch den einen oder anderen neuen oder vielleicht auch längst vergessenen Tipp. Nicht alles ist für alle, aber das kann man auch kaum erwarten. Und es ist, wie der Titel es schon sagt, kein Lehrbuch für blutige Anfänger. Es geht hier um die Praxis und darum, wie man verschiedene Situationen am besten meistert. Nicht immer gibt es komplette „how to“ Anleitungen, viel eher regt das Buch zum Denken an, um eigene Lösungen zu entwickeln, indem es das Problem vielleicht auch mal von einer neuen Seite aus angeht und so den Zugang erleichtert. Es werden keine Dogmen gepredigt, es wird keine überholte Seemannschaft aus der Kaiserzeit präsentiert, dafür aber viel Know-how, viel gesunder Menschenverstand, sehr viel ja, auch, pragmatische Seemannschaft und Fachwissen. Eine einzige negative Anmerkung bleibt: Die Übersetzung ist nicht immer sehr glücklich oder elegant. Das macht dem Buch in seinem Kern aber nichts aus.
Es ist eine ganz andere Art, an das Segeln heran zu gehen, als wir es in vielen Bereichen in Deutschland kennen. Sehr erfrischend. Und sehr wertvoll. Für Anfänger und Profis gleichermaßen. Nach dem Motto: Erlaubt ist, was funktioniert. Und nicht: Das haben wir schon immer so gemacht.