Die beiden gelten in Amerika, und auch noch in England, als geistige Nachfahren von Susan und Eric Hiscock, jenen legendären Langfahrtseglern, die in den 1960er Jahren mit ihrer hölzernen „Wanderer III“ um die Erde segelten und die, auch mit ihren zahlreichen Büchern, Bildern und Vorträgen, diese Art des Lebens unter Segel überhaupt erst bekannt und populär machten.
Nun also Lin und Larry Pardey. Die beiden segelten ebenfalls mehrfach um die Welt, auch auf einfachen, hölzernen Booten. Sie sind, zumindest in der angelsächsischen Welt, berühmt – und sie sind nicht unumstritten, weil sie gerne ihre ganz eigenen Positionen vertreten, die sich nur selten mit denen decken, die im „Cruising Mainstream“ von heute so angesagt sind.
„Nimm ein kleines und einfaches Boot und segele jetzt“ – das ist einer ihrer besten Sätze („Go Small, Go Simple, Go Now“). Und sie leben selber das, was sie predigen – segelten Jahrelang um die Welt, erst mit einem 24-Fuß Bötchen, dann mit einem 29-Fuß Boot. Beide selbst gebaut, nach Entwürfen von Lyle Hess, beide aus Holz und beide ohne Motor, ohne viel Technik, ohne elektronische Navigationshilfen. Drei Dinge halten ja die meisten von uns vom dauerhaften Blauwassersegeln ab: Kein Geld beziehungsweise das ewige Streben nach dem perfekten Boot; sowie Familie und Beruf. Diese beiden entschieden sich grundsätzlich anders, verzichteten auf Familie und Geld und auf ein großes Boot. Als sie sich kennen lernten arbeitete Lin als Buchhalterin bei einer Burger-Firma, Larry hatte 400 Dollar Steuerschulden und sonst nichts, war auf der Suche nach einem Job (im Segeln) und hatte mit dem Bau seines 24-Fuß Traumbootes begonnen. Es dauerte nicht lange, bis sie das Boot zu Ende gebaut hatten und damit um die Welt segelten – geht doch! Es folgte ein halbes Jahrhundert auf diesem und dem nächsten Boot, mehr als 200,000 gesegelte Seemeilen, viele lesenswerte Bücher und Artikel und DVDs. Über einen nicht ganz gewöhnlichen Lebensstil und einen, der natürlich auch nicht immer nur perfekt und romantisch und bequem war.
Mittlerweile leben die beiden, die von vielen Fahrtenseglern (und Träumern) immer noch als Segelgurus verehrt werden, in Neuseeland an Land. Und ihre Biografie erschien schon vor zwei Jahren, verfasst von Herb McCormick, einem der besten Segeljournalisten nicht nur der USA. Herb ist selber ein sehr erfahrener Langstreckensegler, er kennt die beiden gut und er ist, seit Jahrzehnten, der maßgebliche Redakteur der amerikanischen Zeitschrift „Cruising World“. Er hat eine Biografie über die beiden verfasst, die nicht nur sehr kurzweilig zu lesen ist, sondern die auch die andere, dunkle Seite der Medaille nicht verschweigt. Klar, fast 50 Jahre zu zweit auf kleinen Booten, das kann nicht nur dauernde Freude und Romantik und Erfüllung sein. Hier liest man, kurz gesagt, die Wahrheit über diese beiden sehr außergewöhnlichen Leben und über diese beiden außergewöhnlichen Menschen, die mit nichts begannen und dann so enorm viel erreicht haben.
Mit ihrerm ersten Boot, der „Seraffyn“, segelten sie von Kalifornien aus nach Mexico, dann Panama, Karibik, Chesapeake, über den Nordatlantik nach Europa, in die Nord- und Ostsee, schließlich zurück durch den Englischen Kanal und über die Biskaya nach Süden: Gibraltar, Nordafrika, Mittelmeer, Suez, Rotes Meer, Malaysia, Japan und von dort zurück nach Amerika, 49 Tage nonstop über den Pazifik.
In Kalifornien fanden sie ein Grundstück, auf dem sie ihr nächstes Boot bauten – nur 1,5 Meter länger, auch ohne Maschine und ohne WC, dafür allerdings mit einer Art Mini-Badewanne dort, wo auf anderen Booten der Motor steht, nämlich unter dem Brückendeck. Drei Jahre lang bauten sie „Taleisin“, so der Name dieses zweiten Bootes, dann ging es weiter. Bermuda, Azoren, Kapstadt, Rio, Kap Horn, Chile, Südsee, Neuseeland, Australien und zurück. Mit vielen Landaufenthalten um ihre „Freiheits-Chips“ (Dollars) aufzustocken, wann immer es nötig wurde. Larry arbeitete dann an anderen Booten, Lin schrieb Bücher und Artikel. Es gab eigentlich nur zwei goldene Regeln für diese Jahre: Sie würden so lange weiter machen, wie es Spaß macht (das ist auch der Titel des Buches: As long as it’s fun) und sie würden, wie eingangs schon gesagt, mit kleinen und einfachen Booten aber dafür jetzt gleich los segeln.
Alles das klingt romantisch und toll, aber tatsächlich gehörten eben auch sehr viel harte Arbeit, gute Nerven und viel Willenskraft dazu. Es gab schlimme Zeiten, manchmal den blanken Horror, vor allem aber tatsächlich auch sehr viel Spaß. Großartig, aber eben nicht immer einfach. Ein wirklich lesenswertes Buch welches leider, wie auch alle Bücher von Lin, nicht auf Deutsch übersetzt wurde. Inspirierend und anregend auch mal über das eigene Leben nachzudenken ist es allemal – auch wenn man nicht gleich vor hat, dauerhaft auf einem „Taschenkreuzer“ zu leben.