Plötzlich hatte ich ein Wochenende für mich. Wie wunderbar! Ich alleine entscheide also, was getan wird. Auf zum Schiff, denn das liegt noch, recht einsam, in der großen Marina Minde – außer meinem Boot liegen hier noch vier, fünf andere Schiffe im Wasser, in einem Hafen, der vermutlich 500 Yachten und mehr Platz bieten würde.
Es ist tief im November, aber mild. Grau, etwas Regen, aber nicht wirklich unangenehm – gemessen an „November in Norddeutschland.“ Ich also an Bord. Die Förde schaut so einladend, auch wenn sie ganz grau ist. Im Radio sagten sie vorhin irgendwas von Sturmböen, aber was soll’s. Wenn ich schon an Bord bin, dann kann ich ja auch noch mal schnell nach Sonderburg segeln. Wolken wabern tief über dem Wasser, also vorsichtshalber ein Reff ins Groß, Fock dazu, raus aus dem Hafen und ab. Wunderbares Segeln, gemütlich und fix, sogar sie Sonne kommt als blasse gelbe Scheibe dann und wann hinter den Wolken zum Vorschein, dazu glattes Wasser und kleine Brise, wir machen immer so um fünf bis sechs Knoten, da lasse ich das Reff gerne eingesteckt. Bei Wind aus Süd geht es schnell bis nach Sonderburg, doch kurz vorm Einlaufen fängt es an zu regnen. Mein bevorzugter Liegeplatz ist reserviert, die mir schon bekannten und nicht sympathischen gelben Schilder auf der Pier sagen mir, dass ich dort, unterhalb vom Schloss, nicht anlegen darf. Schade, dann also einen Aufschießer an die Stadtpier gefahren. Geht auch.
Alles ist doch immer irgendwie gut. Meistens jedenfalls. Kaum im Hafen, zieht das Mistwetter auf. Regen, Wind, Schauerböen. Leider steht die See aus Süd nun direkt in den Hafen hinein und auf diese Pier, es wird ungemütlich hier, wir tanzen auf und ab dass es in den Festmachern nur so kracht. Aber, mit dem Muschelbewachsenen Propeller der ein Motoren ziemlich unmöglich macht habe ich, zumal bei diesem Regen, auch keine Lust zu verholen – wohin auch. Wird sich schon wieder beruhigen.
Das wird es wohl. Aber nun ist es stockfinster, der Regen prasselt, der Wind heult im Rigg, die Weinflasche ist schon zweimal umgeschmissen worden von den ruckartigen Bewegungen an der Pier – glücklicherweise immer nur die, die noch nicht offen ist. Alles ist immer irgendwie gut, allerdings ist es nun auch verdammt ungemütlich, gut dass der Fender zwischen Boot und Pfahl noch an seinem Platz bleibt. Jetzt auf See! Und dann kein Schiff. Und dann in jeder Hand einen schweren Koffer! So gesehen, haben wir es hier doch immer noch bestens. Die Weinflasche ist nun auf, schnell austrinken bevor sie wieder umgeworfen wird. Dass es in diesem Hafen so zur Sache gehen kann, war mir neu, das habe ich bisher noch nicht erlebt. Und wie es jetzt im Mast jault. Und an Deck prasselt. Weiter so! Bis morgen muss es sich ausgeweht haben, möglichst…
Nachts einmal noch raus in die Kälte, das Wasser ist ein gutes Stück gefallen, der Fender machts nicht mehr richtig. Aber es ist schon etwas ruhiger geworden. Morgens um vier noch mal wegdämmern, ist ja auch noch sackfinster. Aufwachen dann später, zu einer wunderbaren Überraschung: Kräuselwellen im Hafen der ansonsten so unschuldig tut wie ein Ententeich, dazu – blauer Himmel und Sonne! Was folgt ist ein Frühstück im Cockpit und ein traumschöner Segeltag, na ja, ein halber jedenfalls, denn wieder einmal geht es wie ein Expresszug zurück nach Minde. Das Herz hüpft, die Seele baumelt nicht, sie jubelt – wo sind nur all die anderen Boote? Die ganze wunderschöne Förde für mich allein, an diesem wunderbaren perfekten Segeltag – La vie est belle!