Dieses Buch ist grandios, denn es ist sehr, sehr romantisch. Fernweh und Sehnsucht sind bei der Lektüre garantiert; dieser wunderbare süße Schmerz, die Sehnsucht nach einer längst untergegangenen Welt, nämlich dem Ostasien des Joseph Conrad. Sicher, es schildert das kolonialistische Ostasien des späten 19. Jahrhunderts aus der Sicht der Europäer, aber es lässt Geschichte höchst lebendig werden. Vor allem, wenn man durch dieses Buch die wahren Hintergründe zu den zeitlosen, auch heute immer noch sehr aktuellen Romanen von Conrad erfährt. Der Mann, der Lord Jim war: Es gab ihn wirklich und leibhaftig, für die tragische Figur in einem der berühmtesten Romane von Conrad war der Brite George Augustin Podmore Williams das »Vorbild«, die Blaupause quasi. Die Orte, die Flüsse, vor allem aber die Menschen und Schicksale; all die Kapitäne und Händler und Abenteurer und Betrüger und Makler und Glücksritter und wer auch immer die Seiten von Conrads Büchern bevölkert – hier treffen wir sie wieder. Gavin Young, natürlich ein eingefleischter und belesener Conrad-Verehrer, sucht die Orte des Geschehens wieder auf, beschwört die Geister aus diesen längst vergangenen Zeiten und lässt die Welt des Joseph Conrad in Ostasien noch einmal sehr plastisch wieder aufleben. Ein Muss für jeden Fan von Conrad und eine echte Empfehlung für alle diejenigen, die bisher noch nicht zu seinem Werk gefunden haben. Spätestens nach dieser Lektüre will man, muss man einfach (wieder) die großen Klassiker lesen: Almayers Wahn, Lord Jim, Der Verdammte der Inseln und viele mehr.
Gavin Young (1929 bis 2001) war Journalist, Abenteurer, Reisender, Autor und, kurzzeitig, auch Agent des britischen Geheimdienstes MI6. Als Journalist wurde er vor allem als Auslandskorrespondent der englischen Zeitung »Observer« bekannt. Später schrieb er mehrere Bücher, die bekanntesten davon sind die zwei Bände »Slow Boats to China« und die Fortsetzung davon, »Slow Boats Home«; in denen er eine Reise nach China und zurück beschreibt, die er ausschließlich per Boot, und zwar an Bord von allen möglichen kleinen Küstenseglern die gerade aufkreuzten, unternimmt. Schon 1965 reiste er nach Vietnam und traf dort eine Familie, der er sein Leben lang verbunden blieb. Ende der Sechziger Jahre lebte und arbeitete er in New York wo er, selbst ein Amateur-Jazz-Pianist, legendäre Partys mit seinen Freunden aus der Kunst- und Jazzszene feierte. Als »seine« vietnamesische Familie durch den Krieg aus ihrer Heimat vertrieben wurde, half er ihnen, ein neues Leben in den USA zu beginnen – die Kinder und Enkel nannten ihn Daddy. Er selbst blieb aber Nomade, ebenso wie die Beduinen, unter denen er auch einmal gelebt hat. Young hatte eine Wohnung in Paris, war aber nur höchst selten dort, und in dem Haus in England, das er einmal kaufte, hat er nie gewohnt. Er reiste einfach immer weiter, bis seine sich verschlechternde Gesundheit ihn zwang, in London zu bleiben, wo er am Ende auch starb.
Berühmt als Autor wurde er durch »Slow Boats to China«, doch das Buch, das ihm von seinen eigenen Werken selbst am meisten am Herzen lag, war »In Search of Conrad«.