Der Fürst der Ozeane

Vor 100 Jahren gab Fürst Albert I Monaco eine Verfassung und machte aus dem Fürstentum einen zwar kleinen, aber modernen Staat. Vor allem aber war er ein Seefahrer und Entdecker – und der Gründer des Ozeanografischen Museums von Monaco, das sein Nachfahr und Namensträger, Albert II, nun wieder besonders fördert. Von Detlef Jens

 

Es ist eins der imposantesten Gebäude Monacos, vor allem von See aus weithin sichtbar. Wie eine Burg thront es auf Le Roche, dem Felsen auf der sich die Altstadt von Monaco befindet, in allerbester Lage noch vor dem Palast selbst. Es ist das Ozeanografische Museum, das Lebenswerk von Fürst Albert I., oft genannt Prince Navigateur wie einst Heinrich der Seefahrer und auch ein Monument einer »seriösen« Seite des Fürstentums, die über all dem Showbiz und Glücksspiel, den Stars und Prominenten, dem Sport und der Society lange Zeit zumindest in der breiteren Öffentlichkeit fast in Vergessenheit geraten war. Albert selbst, der Seefahrer und Entdecker aus Leidenschaft, begriff schon früh die Zusammenhänge zwischen Leben und Umwelt sowie die Bedeutung der großen Naturphänomene in den Ozeanen. Der Amateur-Ozeanograf gründete 1906 das »Institut Océanographique, Fondation Albert 1er, Prince de Monaco«, das sowohl hier in Monaco, als auch im Quartier Latin in Paris residiert. Bis heute steht Albert selbst in den exotischen Gärten vor dem Museum in Monaco, trutzig in Ölzeug und Südwester in Stein gehauen, mit entschlossener Miene ein Steuerrad umklammernd. Albert I und sein Werk, auf ewig miteinander verbunden.

 

Obwohl er die meiste Zeit auf See verbrachte und sein Fürstentum vom Schiff aus quasi über Funk regierte, stellte er wichtige Weichen für die Zukunft Monacos. Vor 100 Jahren, 1911, gab er seinem Fürstentum eine Verfassung und machte es damit quasi zum modernen Staat. Er investierte die im Casino reichlich fließenden Gelder in die Infrastruktur seines Ministaates und engagierte sich überhaupt nachdrücklich für seine Ideen – berühmt war seine Rolle in der Dreyfuss-Affaire von 1894 bis 1898, in der er sich für den zu unrecht der Spionage angeklagten französischen Offizier Alfred Dreyfus einsetzte.

 

Wichtiger als all das aber war seine Leidenschaft für das Meer. Albert Honoré Charles Grimaldi wurde am 13. November 1848 in Paris geboren und wuchs auf dem Landsitz seiner Familie außerhalb der Hauptstadt als Einzelgänger auf. Schon früh ging er zur See, den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erlebte er in der französischen Marine. Dort wurde er mit einem Orden ausgezeichnet, aber wichtiger als das Kriegshandwerk war ihm die See selbst und, schon bald, das Erforschen unendlich scheinender Weiten – über und unter der Wasseroberfläche. Den Grundstock des Museums bildeten die vielen Fundstücke, die er von seinen insgesamt 30 Forschungsreisen mitbrachte. Sensationell war seine Entdeckung einer bis dahin unbekannten Spezies, dem geschuppten, zehnarmigen Tiefseetintenfisch, dessen wissenschaftlicher Name ihm zu ehren Lepidotheuthis Grimaldi lautet. Diese Tiere leben in Tiefen um die 1000 Meter und mehr und sind daher nur selten zu treffen; Albert hatte das Glück dass sich ein fast noch intaktes Exemplar im Erbrochenen eines von seiner Crew erlegten Pottwales befand. Diese zugegeben etwas unappetitliche Entdeckung wird noch heute im Museum präsentiert, mit dessen Bau 1899 begonnen wurde.

 

Das Ozeanografische Museum sowie das ebenfalls von ihm gegründete Institut zur Forschung und Lehre waren zu seinen Lebzeiten nichts weniger als visionär und Zukunftsweisend. Doch erst lange nach seinem Tod erlangte es Weltruhm – als nämlich 1957 der Franzose Jacques-Yves Cousteau dessen Direktor wurde. Cousteau war quasi ein »Bruder im Geiste« von Fürst Albert, auch er brannte vor Leidenschaft für das Meer und auch er erkannte die Bedeutung dieses Lebensraumes für die Menschheit. Gleichzeitig war Cousteau ein Tauchpionier, 1946 entwickelte er den vom Dokumentarfilmer Hans Haas erdachten Lungenautomaten weiter bis er in der Praxis funktionierte und könnte damit quasi der Erfinder des modernen Tauchens gelten. Zusätzlich war er ein begnadeter PR-Mann in Sachen Meeresforschung. Seine über 100 Filme und etliche Bücher machten ihn weltberühmt, er veröffentlichte Unterwasseraufnahmen die es in dieser Form bis dahin noch nie zu sehen gegeben hatte. Doch wer in ihm nur einen Fernsehstar der ersten Stunden dieses Mediums sieht, täte ihm Unrecht – die seriöse Forschung und, schon damals, Umweltbelange lagen ihm mindestens ebenso sehr am Herzen wie das Tauchen und Filmen selbst.

 

Das Ozeanografische Institut und das Museum in Monaco gaben die für ihn ideale Basis für seine spätere Arbeit, obwohl er schon lange vorher bekannt geworden war. Bereits 1942 drehte er seinen ersten Unterwasserfilm, 1947 stellte er mit 91,5 Meter den damaligen Weltrekord fürs Freitauchen auf, später entwickelte er Forschungs-U-Boote und Geräte für die Unterwasserfotografie. Der erste Quantensprung in seiner Arbeit kam 1950, als der irische Bierbrauer Guinness ihm ein von der Royal Navy ausgemustertes Minensuchboot schenkte. Das Boot Calypso wurde fortan fast so berühmt wie Cousteau selber, war es doch sein Expeditionsschiff für alle seine Reisen – die Jungfernfahrt 1951 führte bereits ins Rote Meer.

 

Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Auch als Direktor in Monaco blieb Cousteau aktiv und befuhr die Ozeane, wie schon Albert I. einst selbst. 1973 gründete er die Cousteau-Gesellschaft zur Erforschung und zum Schutz der Meere, als er 1997 in Paris verstarb hatte die Gesellschaft zehntausende Mitglieder in aller Welt.

 

In Monaco machte er das Museum zu dem, was es heute ist – das größte und bedeutendste Meeresmuseum weltweit. Es bietet nicht nur der interessierten Öffentlichkeit, sondern auch Forschern und Studenten wertvolle Einrichtungen. Die Bibliothek umfasst eine einzigartige, ständig erweiterte Sammlung von Publikationen zum Thema Ozeanografie; Kongresse und Tagungen zum Thema finden hier regelmäßig statt. Daneben gibt es mehrere ständige Ausstellungen und Sammlungen, zum Beispiel der zehntausenden von Arten, die von Fürst Albert I während seiner Reisen gesammelt wurden. Bis heute besuchen Forscher aus aller Welt diese Sammlung, um sich über bestimmte Arten zu informieren. Die Dauerausstellung über die Arbeit von Albert I beinhaltet auch das Labor, welches sich ursprünglich an Bord von Alberts Schiff L’Hirondelle befand und in dem Dr. Richer das Phänomen der Anaphylaxie entdeckte, einer heftigen Reaktion des Immunsystems von Menschen und Tieren auf bestimmte chemische Reize, wofür er 1913 den Nobelpreis erhielt.

 

Andere Ausstellungen präsentieren wissenschaftliche, aber auch künstlerische Themen. So verbinden sich hier Wissenschaft und Kunst, zwei Disziplinen die eigentlich wie die zwei Pole eines Systems sowieso zusammen gehören, an einem einzigen Ort.

 

Dann natürlich das Aquarium. Es umfasst 6000 Arten aus dem Mittelmeer und tropischen Gewässern, die hier in wunderbar gestalteter Umgebung gezeigt werden. Dank modernster Technologie werden die Lebensräume so naturnah wie möglich gestaltet; die lebenden Korallenriffe hier sind einzigartig auf der Welt. In 90 Becken sind unterschiedliche maritime Ökosysteme naturgetreu, das ist wörtlich zu nehmen, nachgebildet. Über 70 Arten harter Korallen werden in der »Korallenfarm« in den Untergeschossen des Gebäudes reproduziert. Damit entfällt die Notwendigkeit, für Forschungen lebende Korallen aus der Natur zu entfernen und es eröffnet gleichzeitig die Möglichkeit, zerstörte Korallenriffe wieder »aufzuforsten«.

 

Diese Korallengärten hier zu sehen, vor allem wenn sie bunt und voller Leben sind, übt auf die Besucher des Museums einen sehr starken emotionalen Reiz aus. Die Mehrzahl der Besucher empfindet laut Umfragen angesichts dieser Ökosysteme das Bedürfnis, zumindest zu beobachten und zu verstehen – auch die negativen Einflüsse, die hier ebenfalls gezeigt werden: Die Übersäuerung der Meere, der Anstieg des Wasserspiegels und der zunehmenden Wassertemperatur. Diese nachempfundenen Biotope sind aber auch für die Aufzucht von Riffbewohnern wichtig, die in freier Natur oft schon bedroht sind, wie zum Beispiel Seepferdchen oder kleineren Rifffischen.

 

Albert I. jedenfalls wäre glücklich, würde er sein Museum heute sehen und erleben können. Glücklicher auf jeden Fall, als er es zu Lebzeiten an Land war. Am 27. September 1889 folgte er seinem Vater, Charles III, auf den Thron, wenig später heiratete er zum zweiten Mal. Seine erste Ehe mit der zwei Jahre jüngeren Mary Victoria Hamilton, die er schon als 20-Jähriger heiratete, scheiterte früh;  doch auch seine Verbindung mit der millionenschweren Alice Heine, verwitwete Herzogin von Richelieu, war wohl nicht die reine Freude. Albert jedenfalls verbrachte auch nach dieser Heirat die meiste Zeit auf See und auf Reisen, während seine Frau in Monaco Hof hielt und das Kulturleben von Monaco befeuerte. Nach 13 Jahren wurde auch diese Ehe geschieden, Albert I. starb 1922 also als Junggeselle in Paris, von Mary Victoria hatte er immerhin einen Sohn, den späteren Fürst Louis II.

 

Als regierender Fürst wurde Albert II. 2005 automatisch auch Vorsitzender des Ozeanografischen Instituts, doch damit nicht genug: Um die Arbeit seines Vorfahren und Namenspatrons Albert I zu würdigen und weiter zu führen, gründete Albert II eine nach ihm selbst benannte Stiftung zum Schutz und Erhalt der Natur in der Arktis.

 

Infos über das Museum: www.oceano.mc

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift GOOSE, published by Robbe & Berking (www.classics.robbeberking.de)

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