Es gibt Segler, die jeden gelassenen Furz medial ausschlachten. Und es gibt Thies Matzen und Kicki Ericson. Das Paar vollbringt seit über 25 Jahren seglerisch Großartiges – still, bescheiden, außerhalb irgendwelcher Vereinszugehörigkeiten und der klassischen Seglerkreise. Dafür erhielt das Paar 2012 mit der „Blue Water Medal“ (Cruising Club auf America) und dem britischen „Award of Merit“ (Ocean Cruising Club) binnen eines Jahres die beiden bedeutendsten Auszeichnungen für Langfahrtensegler.
In ihrem lediglich 9,30 Meter langen Holzboot „Wanderer III“, der Ex-Yacht der Fahrtensegler-Pioniere Eric und Susan Hiscock, bereisen die beiden seit Jahren vor allem die hohen Breiten. Die stets brillanten Artikel, die Thies Matzen aus den entlegensten Revieren an Zeitschriftenredaktionen liefert, behandeln hoch interessante Themen. Das eigene seglerische Tun darin in den Vordergrund stellen? Nicht doch.
Als Fotograf hat sich Thies Matzen bisher weniger in meine bewundernde Wahrnehmung eingeprägt, denn als Schreiber. Ferner waren – für mich selbst immer wieder überraschend – die Bildbände meist die Bücher aus dem Hause mare, die mich am wenigsten überzeugten. Da wurde mir der bekannte Namen eines Fotografen wichtiger genommen als die Qualität der Bilder. Oder zu krampfhaft versucht, neue Wege bei der Betrachtung einer vielfach gezeigten Region oder Stadt zu gehen. Umso gespannter betrachte ich diesen Bildband, über den Herausgeber Nikolaus Gelpke im Vorwort schreibt: „Die große Herausforderung dieses ungewöhnlichen, ja einmaligen Bildbandes lag nicht in einer neu zu findenden Perspektive, sondern in dem konsequenten Verschmelzen der beiden Fotografen mit dieser Natur, diesem Leben.“
Insgesamt 26 Monate hat das Paar auf Südgeorgien verbracht. Thies Matzen erinnert sich an seinen ersten Blick auf die Insel, als sie 1998 durch einen Cocktail aus Nebel und Eisbergen hinsegelten. „Irgendwann hielt ich in der Hoffnung auf einen Landfall südwärts, und plötzlich erhellte etwas den Horizont: ein Gletscher namens Fortuna. Kurz darauf begann es über uns zu glitzern, die Sonne brach durch. Pinguine hopsten. Tausende Vögel schwebten, um uns herum tanzten Eisbrocken kalbender Gletscher. Und was sich dann vor uns entschleierte – diese vereiste und verschneite Gebirgskette eines Meereshimalajas, klar-blau über den 3000 Meter hohen Gipfeln, sattgrün der Küstenstreifen –, war so grandios, so gewaltig, so schillernd: Südgeorgien platzte förmlich in unser Leben – wie Prägung.“
Diese Begeisterung für die Insel spricht aus jedem der tollen Fotos, die Thies Matzen hier präsentiert. Grandiose Aufnahmen majestätischer Landschaften wechseln ab mit beeindruckenden Tierfotos. Im hinteren Teil des Buches tauchen auch Crew und Boot auf. Ergänzt durch Textpassagen aus Briefen von Ericson erhält der Betrachter so eine ungefähre Vorstellung von diesem Aufenthalt am Ende der Welt, den das Paar – im Winter gänzlich alleine auf sich gestellt – als Privileg genoss. „Wir haben das Meer bewusst ins Zentrum unseres Lebens gestellt, dazu Genügsamkeit und die Erfüllung im Kleinen.“
Klein fällt die Kritik an diesem Buch aus. Dass das Lektorat übersieht, dass Thies Matzen seine Hochzeit in 1998 abgespeichert hat – seine Frau jedoch den 11. Januar 1999 als Hochzeitstag erinnert – wird Kicki Ericson vielleicht mehr stören, als den Durchschnittsleser. Dem würde es allerdings einfacher gemacht, wenn gekennzeichnet wäre, wenn zwischen den Briefauszügen von Kicki Ericson auch mal wieder ein Text von Thies Matzen auftaucht. Das Zitat von Reinhold Forster aus dem Jahre 1775 passt toll zu diesem Buch. „Der bloße Gedanken, hier ein Jahr zu leben, füllt die ganze Seele mit Grauen und Verzweiflung.“ Es zwei Mal binnen zehn Seiten wortwörtlich zu verwenden, halte ich dennoch für übertrieben.
Kleinigkeiten, wie gesagt, die den Gesamteindruck des Bildbandes „Antarktische Wildnis Südgeorgien“ nicht schmälern. Hier wird in tollen, großformatigen Fotografien und sehr lesenswerten, persönlichen Texten eine Liebeserklärung an diese abgelegene Insel der Sub-Antarktis, gar ans Leben im Allgemeinen, präsentiert. Das „konsequente Verschmelzen der beiden Fotografen mit dieser Natur, diesem Leben“ ist überzeugend gelungen. Für mich der beste mare-Bildband bisher. Möge diese überragende Qualität das ihr gebührende Käuferinteresse finden.