Von Tiden und Treibhölzern und Delikatessen…

Der Stamm ist knorrig wie ein Baum, ausgebleicht wie ein alter Walknochen und geformt wie eine Skulptur. Gefunden hat Frank Walbeck ihn in Island, aber tatsächlich kommt er von der Ostküste der USA. „Auf Island gibt es nun einmal keine Bäume“, sagt er. „Und mit dem Golfstrom könnte dieser Stamm gut hierher getrieben worden sein!“ Jetzt ziert er einen kleinen Laden in Hamburgs Szeneviertel Ottensen, der unter dem Namen »Tide – Feinkost und Treibholz« firmiert.

Was beides miteinander verbindet? Nichts, außer dass man hier in der Mittagspause mal eben ein Stück Treibholz einkaufen kann, dazu vielleicht noch ein Gläschen mit dem überaus köstlichen, hausgemachten Kuchen: Toskanischer Schokokuchen mit Pinienkernen, zum Beispiel. Und noch schnell einen Teller leckerer Pasta dabei verzehrt. Die kocht der Chef selbst, wenn er nicht gerade auf Tour ist um entlegene Strände nach Treibgut abzusuchen. Denn das, sagt er, sei sein großes Glück: »Wenn mir mal der Laden hier auf den Kopf fällt, kann ich für drei Tage weg und einsam am Strand sein. Sonnenuntergänge, auch schon mal ein guter Kaffee, Lagerfeuer an einer schönen Stelle, und wenn ich dann auch noch ein cooles Stück Holz finde, ist alles super. Dann komme ich so glücklich zurück dass ich dann auch wieder kochen und im Laden stehen kann.«

Sein Laden ist voll mit dem Holz. Groß und klein, in allen Farben von hell bis dunkel und mit verschiedenen Strukturen und Maserungen und Formen, einige mit alten Eisenbeschlägen, viele duften auch himmlisch nach Teer und Salzwasser und Weite und Ferne. Holzblöcke dienen als Sitzmöbel und Deko, Planken als Regale an der Wand, der Isländer Baumstumpf steht wie ein Totem im Raum.

Seit 2005 gibt es den Laden, zunächst nur als Feinkostladen geplant. Walbeck, studierter Innendesigner und im Nebenberuf Koch, konnte die Arbeitszeiten in der Gastronomie schon bald nicht mehr leiden, mochte aber auf seine Koch-Leidenschaft nicht verzichten – so entstand die Feinkostidee. Das Holz kam eher zufällig dazu, gesammelt hatte er es schon länger, es in seiner Wohnung und seinem Garten gelagert. Auf die Idee, es in seinem Laden zu verkaufen, brachten ihn Freunde, deren Wohnung auch schon ein paar schöne Stücke von ihm schmückte.

Vom Isländer abgesehen, sind Bäume eher selten bei ihm. Er sucht vor allem nach altem Industrie- und Schiffsholz; Teile von Schiffen, Gangways, Ladungen also, bearbeitetes Holz, oft auch noch mit Beschlägen dran. Was er mitnimmt hängt von vielen Faktoren ab – Form, Größe, Grad der Verwitterung. »Von 100 Teilen die ich sehe,« sagt er, »nehme ich gerade mal zwei mit.«

Die besten Stücke? »Na ja, das eine löst das andere ab. Der Island-Stamm ist schon spektakulär. Aber auch die Planken mit Eisenbeschlägen, die ich noch am Strand mit der Kettensäge durchtrennen musste um sie überhaupt transportieren zu können – die dienen jetzt übrigens als Ladeneinrichtung, gleich hier um die Ecke.«

Die Preise für das Holz reichen von zwei bis 3500 Euro: »Für mich ist das fast so etwas wie Schmerzensgeld!« Und ganz individuell und unterschiedlich, je nachdem wie hoch der Aufwand des Bergens und Transportierens war und wie sehr er das Stück selber mag. Der Balken mit Eisenbeschlägen zu 750 Euro: Teuer? »In sieben Jahren habe ich nur ein solches Stück gefunden. Wer es zu teuer findet, muss es halt nicht kaufen, das freut mich weil diese schönen Stücke dann noch etwas länger bei mir bleiben!« Am Ende, das weiß er, wird es doch verkauft. Dafür fehlt vielen Leuten das Verständnis, wie zum Beispiel Dieter Bohlen. Der kam mal vorbei weil er gegenüber auf der anderen Straßenseite einen Filmdreh hatte und lästerte, warum er denn für altes Holz Geld bezahlen solle. »Musst du ja nicht«, sagte Frank zu ihm. »Du hast ja bestimmt mehr als genug Zeit, um mal mit deinem schicken Cabrio auf den Strand zu fahren und solch altes schweres Holz zu holen und nach Hamburg zu transportieren – und übrigens, ein Klavierstück kann ich mir auch selbst komponieren!« Ach so, meinte der Dieter, so habe er das noch gar nicht gesehen.

Das Holz muss zunächst einmal gefunden werden. Dann ist es schwer, voll Wasser gesogen, vielleicht auch noch festgefroren. Frank hat einen Land Rover mit Schwerlastträger auf dem Dach, dazu Winden und eine Kettensäge. Manchmal muss er auch besonders große Teile liegen lassen und später mit einem Anhänger wieder kommen und hoffen, dass es noch dort liegt. Meist ist es harte Arbeit, die schweren Hölzer zu bergen. »Bei minus drei Grad und Sturm drei Tage am Strand, und dann das Holz ins Bett legen weil es sonst im Auto keinen Platz dafür gibt, und sich dann in der Kälte an das gefrorene Holz kuscheln, das ist schon grenzwertig«, sagt Frank. Nein, es ist nicht immer nur Spaß. Genießen tut er es trotzdem.

www.tide.dk

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