Karibisches Abenteuer

Die Karibik, Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre – eine Welt, die es so leider nicht mehr gibt; voller Menschen und Typen, die es so vielleicht auch kaum noch gibt. Unter ihnen auch der damals schon berühmte Sänger Bob Dylan, der nicht nur das Segeln in der Karibik liebte und oft, mal alleine, öfters mit seinen Söhnen, hierher kam – er hatte auch einen Schoner. Genauer: Einen halben Schoner, der Miteigner war Chris Bowman den wir als Autor des fantastischen Romans Tradewinds kennen. Chris hat für uns einige Bilder aus jener Zeit zusammen gesucht. Im Bild rechts sehen wir besagten Schoner, die „Water Pearl“, unter vollen Segeln in glücklichen Tagen…

Es ist ein abenteuerliches Leben, auf das Christopher Bowman, Autor des wunderbaren Buches Tradewinds, zurück blicken kann – und es würde Stoff genug für mindestens ein weiteres, vielleicht sogar mehrere Bücher hergeben. Nicht nur über seine Zeit mit Bob Dylan auf dem gemeinsamen Schoner „Water Pearl“, dazu gleich mehr, sondern ganz allgemein über seinen Weg, über Aufbruch und Scheitern, Leben und Überleben und, schließlich, auch ankommen.

Aus Kalifornien stammend, brach Chris mit 20 zu seiner großen Reise auf: Europa und Afrika vor allem waren seine Ziele. Zum Segeln kam er 1971 auf den Seychellen. „Damals war es durchaus nicht einfach, dorthin zu kommen“, erinnert er sich: „Das ging nur per Dampfer, der, einmal im Monat, von Mombasa aus zu den Inseln hinaus fuhr.“ Weiter ging es für ihn von dort per Boot. Hier traf er zwei junge Amerikaner, die gerade mit einer Ketsch von Hong Kong aus hierher gesegelt waren, und die weiter in das Mittelmeer wollten. Chris ging an Bord und blieb. „Mein erster Segeltörn war gleich 2400 Seemeilen lang!“ Lang genug, auf jeden Fall, um ihn für sein weiteres Leben fürs Segeln und Segelyachten zu begeistern.

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Der Törn ging von den Seychellen aus in das Rote Meer, nach Äthiopien und weiter bis Eilat. Der Suez Kanal war aufgrund einer Eskalation in der damals schweren Nahostkrise gesperrt, also hoben die drei Amerikaner ihr Schiff in Eilat an Land und ließen es von einem alten Lastwagen quer durch Israel bis zum Mittelmeer schleppen. Segelten dann durch das Mittelmeer und hinaus zu den Kanarischen Inseln, wo Chris das Schiff wechselte. „Auf den Kanaren traf ich einen total verrückten Mexikaner, der mit einem winzigen 21-Fuß Boot nach Hause segeln wollte. Und irgendwie landete ich dann bei ihm an Bord…“ Es folgte eine haarsträubende Überquerung des Atlantiks – das Ruder des Bootes brach, unterwegs hatten sie irgendwann kein Trinkwasser und auch kein Gas zum Kochen mehr, so dass sie sich gegen Ende hauptsächlich von rohem Fisch ernährten. Immerhin, nach 38 Tagen erreichten sie Barbados. Brachten sich und das Boot wieder in Ordnung und schipperten weiter – bis Chris auf St. Vincent ausstieg um vorerst in der Karibik zu bleiben.

Hier fand Chris zum Bootsbau, oder der Bootsbau fand ihn – wie auch immer, es begann ein neues Kapitel. Zunächst arbeitete er auf den damals noch seltenen Charteryachten, und so kam er nach Bequia. Trauminsel und Sehnsuchtsziel vieler Romantiker jener Jahre, erreichbar nur mit dem eigenen Boot, oder mit dem hölzernem Segelschoner „Friendship Rose“ von St. Vincent aus. Die „Friendship Rose“ segelte damals, na ja, mehr oder weniger täglich hin- und her von der großen zur kleinen Insel und transportierte dabei alles: Passagiere, aber auch Vieh, Post, Medikamente, Maschinenteile; was eben so gebraucht wurde auf Bequia. Wo die Menschen vom Fischfang, vom Bootsbau und auch noch vom gelegentlichen Walfang lebten – die Wale wurden hier von offenen, geruderten Booten aus gejagt und, sofern es gelang, per Hand harpuniert und am Strand zerlegt.

Port_Elizabeth,_Bequia

Chris Bowman jedenfalls erlebte mit Begeisterung wie die Bootsbauer von Bequia traditionelle Boote und Schoner am Strand bauten, ohne Pläne, nur nach Augenmaß. Schon bald entschloss er sich dazu, hier ein eigenes Boot gemeinsam mit den Einheimischen zu bauen, die 42-Fuß Sloop „Just Now“. „Ich hatte ein Buch über Yachtdesign studiert, mir aufgemalt wie ich das Schiff in etwa haben wollte – und dann bauten wir es, wie die Leute auf Bequia schon immer getan hatten: Pläne hätten wir gar nicht gebrauchen können.“ Es wurde, wie er sagt, ein fantastisches Boot. Der Stapellauf war 1976, das Schiff segelt heute noch in Kalifornien. 1977, er hatte noch etwas Geld über um sich das Flugticket zu kaufen, zog es ihn zu einem Besuch nach Hause. „Sechs Jahre was ich weg gewesen. Als mein Dad mich am Flughafen abholte, hatte ich genau drei Dollar und das Rückflugticket in der Tasche!“

Ein folgenreicher Besuch, eine weiteres Kapitel. Chris besuchte seine alten Freunde und einer von denen baute mit an einem Haus für Bob Dylan in Malibu. Sie tauschten ihre Geschichten aus, Chris erzählte vom Bootsbau, sein Kumpel sagte: „Die Jungs mit denen ich dort arbeite reden immerzu davon, ein Boot bauen zu wollen. Vielleicht solltest du mit denen mal sprechen…“ Schon am nächsten Tag riefen sie Chris an, der ließ sich von seinem Bruder nach Malibu fahren – und blieb zwei Wochen. Sie fragten ihn: Kannst du einen 30-Meter Schoner bauen, und Chris, 26 Jahre alt und voller Optimismus, antwortete ohne zögern: „Aber klar!“

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Am Ende einigten sie sich darauf, einen knapp 20 Meter langen Schoner zu bauen. Als Vorlage dienten die Pläne eines der berühmten Fischereischoner aus Neu England, die Chris für eine Handvoll Dollar im Smithsonian Institute besorgt hatte. Auftraggeber war Bob Gilbert, der das Haus für Bob Dylan baute – und der Dylan dazu überredete, sich zur Hälfte an dem Schiffsbau zu beteiligen. „Es war ein besonderer Moment für mich, der erst kurz zuvor mit drei Dollar in der Tasche angekommen war, in einer Anwaltskanzlei ganz oben in diesem Wolkenkratzer in Los Angeles den Vertrag zu unterschreiben, für Bob Gilbert und Bob Dylan einen Schoner zu bauen“, erinnert Chris sich.

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Zurück auf Bequia tat er sich mit einem der erfahrenen Bootsbauer der Insel, Nollie Simmonds, zusammen und begann mit der Arbeit. Sechs weitere Bootsbauer heuerten sie an, gingen in den Wald und fuhren auch schon mal nach Guyana, damals ein höchst gefährlicher Ort, um das Holz zu besorgen. Dann kam es, wie so oft bei Schiffs- und Bootsneubauten: Als es etwa halb fertig war wurde deutlich, dass sie es nicht für das ursprünglich veranschlagte Budget würden fertig bauen können. Chris flog also in die Staaten um eine Lösung mit seinen Auftraggebern zu verhandeln. Bob Gilbert war jedoch wenig begeistert und stieg aus dem Projekt aus, nachdem sie sich auf diesen Kompromiss geeinigt hatten: „Ich verkaufte ihm mein Boot, die „Just Now“, um mit dem Geld einen Anteil am Schonerprojekt zu kaufen. Bob Dylan würde den Rest bezahlen und wir beide, Dylan und ich, das Schiff als Partner gemeinsam haben! A simple twist of fate, hätte Bob Dylan dazu gesagt; ich musste mich kneifen um zu begreifen dass es Real und kein Traum war – ich nun plötzlich in einer Eignergemeinschaft für einen großen Segelschoner mit Bob Dylan. Verrückt! Damals ging es mir allerdings vor allem darum, das Boot zu Ende zu bauen und es nicht halbfertig am Strand verrotten zu lassen.“

Von hier an entwickelte sich eine gute Freundschaft zwischen Chris und Bob. Immerhin war es ihr gemeinsames Schiff, nicht nur das von Bob Dylan, wie es bis heute immer wieder falsch gesagt und geschrieben wird. „Wir teilten uns das Boot und die laufenden Kosten.“ Um die zahlen zu können, nahm Chris, der mit Frau und kleiner Tochter an Bord lebte, Chartergäste an Bord wenn Bob nicht segelte. Für Dylan war es ein gutes Arrangement: „Er konnte sich immer sicher sein, dass ich kein Geld für das Schiff verschwenden würde, wo ich doch die Hälfte selber zahlte!“

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Beide genossen die Jahre in der Karibik. „Nach dem Stapellauf dauerte es eine ganze Weile, bis Bob zum ersten Mal an Bord kam – aber dann segelten wir zehn Tage lang durch die Inseln und er liebte es. Danach kam er für längere Zeit segeln, zwei- bis dreimal im Jahr. Die Leute in der Karibik erkannten ihn damals nicht immer und er war hier immer extrem entspannt und sehr glücklich. Neben meiner kleinen Familie hatte ich eine Crew von Locals an Bord und wir kamen alle prächtig miteinander aus – Bob liebte es, zusammen mit unseren Leuten die Kneipen der Einheimischen an Land aufzusuchen, er erlebte die Karibik damals wie einer, der einfach dazu gehört. Ab und zu kamen Musiker an Bord aber wir hatten noch nicht einmal Instrumente, bloß eine alte Gitarre mit nur fünf Saiten – für ihn war das alles in Ordnung.“ Einmal kam Dylan unangemeldet mit seinen Söhnen angeflogen, um zu segeln – dummerweise hatte Chris gerade acht zahlende Gäste an Bord. Es wurde also etwas eng, ihm machte das nichts aus, den Gästen allerdings schon von denen ein oder zwei sogar ihr Geld zurück verlangten – obwohl sie auch durchaus dafür hätten zahlen können, um mit Bob Dylan zu segeln.

Insgesamt glückliche Zeiten, die bis 1988 dauerten. Dann wurde Chris’ Frau schwanger und da sie bei der Geburt ihrer ersten Tochter in einem Inselhospital in der Karibik fast gestorben wäre, überzeugte Chris sie, für diese Geburt doch lieber nach Hause, in ihrem Fall Australien, zu fliegen. Gleichzeitig ertappte er sich bei dem Gedanken, dass er vielleicht doch nicht für den Rest seines Lebens in der Karibik umher segeln wolle. Und überredete den zunächst wenig davon begeisterten Dylan, die „Water Pearl“ in den Pazifik zu segeln. Dazu nahm Chris nicht seine reguläre Crew an Bord, die er nicht hätte bezahlen können weil sie ohne Chartergäste segeln würden. Stattdessen nahm er Leute mit an Bord, die einfach nur so mitkommen wollten. „Einer von denen war sehr starker Raucher und hatte seinen Vorrat an Zigaretten aufgebraucht. Wir kamen in der Dunkelheit vor Panama an und er überredete uns, doch noch in der Nacht einzulaufen, statt bis zum nächsten Tag zu warten. Wir hatten nur ältere Seekarten, die Einfahrt nach Panama war im Dunkeln besonders schwierig, und am Ende liefen wir neben der Einfahrt auf ein Riff.“

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Was folgte, beschreibt Chris als die „stressigsten drei Wochen meines Lebens“. Sie kamen auf einer Basis der Navy unter, die Marine half ihnen auch nach besten Kräften bei ihren Versuchen, das Schiff vom Riff abzubergen – doch vergebens, als auch noch das Wetter schlecht wurde begann der Schoner auseinander zu brechen. Ihnen blutete das Herz, auch Bob Dylan war enttäuscht und trauerte dem Schiff nach. Chris flog nach New York um mit seinem Miteigner über den Verlust zu sprechen – „Am Ende ging Bob sehr gut mit der Situation um.“ Und es gibt noch eine Fußnote: Bob Gilbert wollte sich zu dem Zeitpunkt ein neues Schiff bauen lassen und verkaufte die „Just Now“ an Bob Dylan. Der behielt das alte Schiff von Chris noch einige Jahre in der Marina del Ray in Kalifornien, segelte es dort aber eher selten. Am Ende verkaufte er das Boot, welches von den neuen Eignern wieder häufiger genutzt wurde.

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Bob und Chris blieben gute Freunde, einige Male begleitete Chris ihn auf seinen Tourneen. Doch nach dem Verlust des Schiffes ging Chris nach Australien zu seiner Frau und Familie. Dort wurde damals gerade eine Replik der „Endeavour“, des Schiffes von Captain Cook, gebaut. Chris stellte sich als Bootsbauer vor und wurde sofort angeheuert. So ließ er sich in Fremantle nieder wo er noch immer Holzboote baut und segelt.

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