Die Stille über dem Wasser

Es ist ein Plot wie aus dem Lehrbuch – durch dramatische Umstände werden (in diesem Falle) fünf Personen auf einer engen Segelyacht zusammen gezwungen, es gibt kein Entrinnen und so kann sich der Konflikt entwickeln bis zum explosiven Ende – und daher funktioniert er auch. Es ist außerdem ein Plot, den schon einmal das Leben schrieb: Im Jahre 1981 an Bord der „Apollonia“, einer knapp 16 Meter langen Yawl, mitten auf dem Atlantik unterwegs in die Karibik. Auch hier waren Personen an Bord, die sich vorher nicht kannten, ohne Flucht- oder Rückzugsmöglichkeit zusammen und die daraufhin entstehenden Spannungen wurden am Ende so unerträglich, dass der kurz vor der Atlantiküberquerung an Bord gekommene Navigator den Eigner und dessen Freundin erschoss und einen weiteren Mitsegler schwer verletzte (Beschrieben ist dieser Fall im Buch „Logbuch der Angst“ von Klaus Hympendahl).

Der Einstieg in den Thriller „Die Stille über dem Wasser“ ist rasant und lustig, ein echter Pageturner, zumindest mir ging es erst einmal so. Sehr spannend, auch wie die zwei sympathischen Helden, das Pärchen Johnny und Clemency, auf das Boot von Annie und Frank geraten. Ein Aussteigerpärchen mit fünfjähriger Tochter. Und hier beginnt es schon, etwas mühsam zu werden. Für meinen Geschmack ist Frank ein blenderischer Klugscheißer, tatsächlich verbirgt sich hinter seinem Pseudo-philosophischen Gelabere denn auch eine wirklich finstere Gestalt. Die naive Clemency fällt voll auf ihn rein, Johnny durchschaut ihn irgendwann – das ist das Ende der zuvor überglücklichen Beziehung zwischen den beiden. All das ginge ja noch, dann aber wird es blöd. Bei den Beschreibungen des Segelns nämlich. Hier werden nicht einfach ein paar kleine Fehler gemacht, wie man es aus anderen Segelromanen vielleicht kennt und wie es auch verzeihlich gewesen wäre; hier wird schlicht und einfach Nonsens gedruckt. Und das ist höchst ärgerlich.

Kostprobe? Das Segelsetzen geschieht hier folgendermaßen: „Das Segel flatterte heftig, als Johnny es setzte. Er löste das Tau, holte das Hauptsegel ein und rollte das Genuasegel auf. Annie und Smudge kauerten auf der Backbordseite und verfolgten jede seiner Bewegungen; wie er auf dem Deck herumlief, die Segel überprüfte, nach oben spähte, sich über die Reling beugte…“ Aber es wird noch lustiger, als es nämlich aufbrist und gerefft werden muss: „Frank, schrie er. Wollen wir ein Reffsegel hissen?“

Bei dieser Szene stellt sich übrigens heraus, dass der tolle Frank gar nicht segeln kann. Und man fragt sich, ob das gleiche auch auf die Autorin zutrifft, oder ob es sich hier nur um eine völlig entgleiste Übersetzung handelt. Es gibt noch einige solcher Beispiele mehr und das ist wirklich schade, denn es macht das Buch in gewisser Weise lächerlich. Und es wäre doch sicher nicht zu schwierig gewesen, beim Lektorat des Originals oder bei der Übersetzung fachlichen Rat einzuholen um solche Peinlichkeiten zu vermeiden. Immerhin spielt das ganze Buch auf einem Segelboot, es geht hier ja nicht nur um eine einzelne Szene am Rand…

Davon abgesehen bleibt es spannend, wenn auch irgendwie vorhersehbar. Und einige interessante Fragen werden im Laufe der Geschichte aufgeworfen – tatsächlich hat diese Story das Zeig dazu, noch eine ganze Weile in den Gedanken der Leser nachzuwirken. Und das nicht nur über die Frage, was das denn nun eigentlich ist, ein Reffsegel hissen.

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