BALTISCHE SOMMER – ENTDECKUNGSREISE UNTER SEGELN

Eine Ostsee-Umrundung ist in den vergangenen Jahren zum Auszeit-Klassiker deutscher Segler geworden. Und so gibt es eine Vielzahl an Büchern von Törns im oder gegen den Uhrzeigersinn ums mare balticum. Bis ganz im Norden nach Haparanda oder „nur“ bis zu den Aland Inseln. Mit Fahrt durch den Götakanal und / oder Abstecher nach St. Petersburg, oder eben nicht. Der zur Verfügung stehende Zeitraum ist meist ein Sommer.

Angelika und Ludwig Böcker gingen ihre Ostsee-Auszeit bewusst anders an. Als Ludwig Böcker nach einer lebensbedrohlichen Erkrankung wieder fit ist, treffen sie die „mutige“ Entscheidung, mit Anfang Fünfzig aus dem Hamsterrad auszusteigen. „Erfordert es aber nicht ebenso Mut, ist es in unserem Alter nicht geradezu tollkühn, sein Leben Tag für Tag der Arbeit zu überlassen, als ob der verbleibende Rest kein Ende hätte?“

Die Böckers kündigen ihre leitenden Jobs in einem Ferienhotel und rüsten die 15 Jahre alte Gib Sea 302 „JaJa“ aus. Mehrere Sommer wollen sie sich für die Erkundung der Ostsee Zeit lassen, die Winter Zuhause auf Norderney verbringen. Die segelfreien Monate wollen (und werden) sie zum Geld verdienen nutzen. In Tagebuchform lässt Angelika Böcker ihre Leser an ihren drei baltischen Sommern Anteil haben. Dabei langweilt sie uns glücklicherweise nicht mit ausufernden Beschreibungen von Stürmen, Segelwechseln und technischen Problemen. Das Segeln als solches wird knapp beschrieben. Gerade ausführlich genug, um in den Böckers kompetente, erfahrene Segler zu erkennen, die wenig Lust auf gehetztes Vorankommen haben. Für 4.444 Seemeilen muss man sich keine drei Sommer Zeit lassen. Kann man aber, um die bereisten acht Länder intensiv erkunden zu können.

Angelika und Ludwig Böcker verbringen mehrere Tage in lohnenden Städten oder Dörfern. Sie machen Wanderungen, Radtouren und genießen den Kontakt zu den Einheimischen. Für die Rückfahrt nach Norderney wird in Litauen ein altes Auto gekauft. Fürs Winterlager in Estland wird kurzerhand gemeinsam mit Einheimischen ein verschütteter Bootswagen ausgegraben. Angelika Böcker lässt uns – unspektakulär, aber sehr kurzweilig und unterhaltsam – an vielen Begegnungen teilhaben und versorgt uns mit detaillierten Informationen (in wohlbemessener Länge) zu Land und Leuten. Der Bennele-Verlag traf dazu eine gute Bildauswahl, investierte in eine engagierte Lektorin und die hochwertige Verarbeitung des Buches: fast schon eine Kampfansage an etablierte Verlage im Wassersportbereich. So stechen die „Baltischen Sommer“ aus der Fülle der Ostsee-Törnberichte hervor. Wer möglichst viele interessante Informationen – vielleicht gar zur Nachahmung einer Ostsee-Auszeit – sucht, kommt daran nicht vorbei.

Das Ehepaar Böcker fühlt sich übrigens nach seinen drei baltischen Sommern 2007, 2008 und 2009 noch immer „nicht nur frei, sondern reich“. Gratulation. Alles richtig gemacht.

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